Ärztliche Praxis (17.-19. Jahrhundert)

gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Der Forschungsverbund hat sich das Ziel gesetzt, die historische Entwicklung der ärztlichen Praxis von der Frühen Neuzeit bis zu den Anfängen der modernen Medizin zu untersuchen. „Praxis“ soll dabei in einem doppelten Sinn verstanden werden: zum einen im Hinblick auf den konkreten Ort und den organisatorischen Rahmen der Arzt-Patient-Begegnung; zum anderen im Hinblick auf die bei dieser Begegnung angewandten therapeutischen und kommunikativen Praktiken. An dem Forschungsverbund sind insgesamt acht Forschungs­projekte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt. Sprecher des Forschungsverbunds ist Prof. Michael Stolberg, Würzburg, Stellvertretender Sprecher ist Prof. Martin Dinges, Stuttgart. Drei zentrale, projektübergreifende Themenkomplexe sollen die Forschungen strukturieren:
  1. Praxisalltag
  2. Patientinnen und Patienten
  3. Wissensbestände

Praxisalltag

Die Frage nach dem Praxisalltag umfasst alle Aspekte der administrativen, kommunikativen und therapeutischen Gestaltung der ärztlichen Tätigkeit. In Bezug auf die Organisationsform der Praxis ist u.a. zu untersuchen, wo der Arzt-Patienten-Kontakt stattfand, ob im Haus des Kranken, in den Räumen des Arztes, in der besonderen Form einer Krankenbesuchsanstalt oder in brieflich vermittelter Form; wie stark und in welchem Rhythmus die Praxis über die Jahre frequentiert wurde und ob sich z.B. Abhängigkeiten von Wochentagen, Markttagen o.ä. feststellen lassen. Auch die Frage nach den im Rahmen der Praxis eingesetzten Aufzeichnungsformen ist zu klären. Dies wiederum leitet zu der Aufgabe über, eine bislang fehlende, epochenübergreifende Typologie der ärztlichen Aufzeichnungspraktiken zu erstellen. Zu den wesentlichen Aspekten der ärztlichen Praxis gehört selbstverständlich auch die Handhabung der Honorierung oder anderer Vergütungspraktiken. Ein weiterer Fragenkomplex gruppiert sich um die in der Quelle genannten Diagnosen. Diese können angesichts der methodischen Problematik der retrospektiven Diagnosestellung zwar nicht sinnvoll mit modernem medizinischen Vokabular analysiert werden, sie lassen sich aber dazu heranziehen, Gewichtungen oder Spezialisierungen innerhalb der jeweiligen Praxis herauszuarbeiten. Auch der Einfluss von Epidemien, Hungersnöten, Kriegen o.a. zeitspezifischer Phänomene auf die Gestaltung des Diagnosespektrums ist in Betracht zu ziehen.

Patientinnen und Patienten

Im Hinblick auf die Patientinnen und Patienten einer Praxis werden von jedem Teilprojekt die verfügbaren sozialstatistischen Daten erhoben, um ein Bild von der Zusammensetzung der Patientenschaft zu gewinnen. Dazu gehören im Idealfall Geschlecht, Alter, Ehestand, Wohnort sowie die Zuordnung zu sozialen Klassen und/oder Berufsgruppen. Des Weiteren sollen die verschiedenen Praxisaufschriebe in Hinblick auf die darin aufscheinenden Formen der Arzt-Patienten-Kommunikation verglichen werden. Zu diesem Themenkomplex gehört auch die Frage nach den unterschiedlichen Formen der Annahme therapeutischer Hilfe, die sich auf der Patientenseite finden lassen. Diese reicht von der Nichtbehandlung über die Selbstbehandlung bis hin zur brieflichen Behandlung oder zum Wechsel des Therapeuten.

Wissensbestände

Die der ärztlichen Praxis zugrunde liegenden Wissensbestände lassen sich auf unterschiedliche Weise fassen, etwa durch den Rückgriff auf wissenschaftliche Publikationen des jeweiligen Arztes, durch Literaturverweise in seinen Praxisaufzeichnungen oder, im Einzelfall, anhand von erhaltenen Exzerpten aus der Fachliteratur. In anderen Fällen wird man aus der gewählten – beispielsweise homöopathischen – Therapie auf die „Schule“ schließen können, welcher der jeweilige Arzt angehörte.

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